Hot Mulligan und „The Sound A Body Makes When It´s Still“: Google nennt das Emergenz
19.08.2025 | Marco Kampe

Bei erstmaliger Beschäftigung mit diesem Werk fällt das verquer erscheinende Cover ins Auge. Der dort abgebildete Mensch könnte eine aufwühlende Nacht durchmachen. Sich dazu auftuende Fragen werden beflügelt durch die kryptischen Song-Titel und die darin thematisierten, emotionalen Abgründe, die laut Bandmitglied Nathan Sanville eine bedeutsame Inspirationsquelle der Band darstellen. Was für Freund*innen leichter Kost abschreckend wirken mag, dürfte der Fan-Schar der zuvor benannten Genres ein Lächeln aus das dem sonst grimmigen Gesicht (Achtung: Klischee) hervorlocken. Und spätestens, wenn man liest, dass Hot Mulligan bereits Jimmy Eat World supporten durften und in den USA den Szene-Clubs allmählich entwachsen, dann steigt das Spannungsbarometer rapide an. Also dann - Bühne frei für „The Sound A Body Makes When It´s Still“:
Angesichts der üppigen Tracklist drängt sich die Vermutung auf, dass hier die Maximallaufzeit einer Compact Disc auch maximal ausgereizt wird. 16 Songs sind stattlich, alle Achtung! Andererseits war es vor nicht allzu langer Zeit auch einmal Usus, Platten mit mehr als 30 Minuten Inhalt zu produzieren. Die Dinosaurier unter uns werden sich erinnern. Zudem sind die hier dargebotenen Titel in der Regel mit 3-4 Minuten abgehandelt, was zwar die Quantität relativiert, die Qualität hingegen unberührt lässt. Diese verteilt sich glücklicherweise gleichmäßig über die gesamte Albumlänge. Mit Ausnahme der befremdlichen Interludes („This Makes Me Yummy“ bzw. „(…) Yucky“) präsentieren Hot Mulligan einen gekonnten Mix aus dreckiger Punk-Attitüde („And A Big Load“) und Akustik-Schmusereien („Milam Minute“).
Besonders stark sind solche Momente, in denen die Formation die benannten Genres unter einem Banner vereint. „Bon Jonah“ massiert wohlig die Gehörgänge und erinnert dabei an The Menzingers (kurz vor ihrem Durchbruch), das „Carbon Monoxide Hotel“ schielt ungeniert in Richtung des Pop-Punks und betreibt dabei Rosinenpickerei im besten Sinne. Dass Musik der mittleren Breiten nicht altbacken klingen muss und das Erbe des Boss weiterhin Einfluss hat, zeigt zuvorderst ein Song der Marke „Moving To Bed Bug Island“. Springsteens Americana schwenkt über in einen inbrünstig vorgetragenen Refrain, was eine intensive Wirkung hervorruft. Von derlei Inbrunst profitiert das Quintett immer wieder. Auf „Let Me See Your Mounts“ schimmern die musikalischen Vorbilder wiederkehrend hindurch, bei „Cream Of Wheat Of Feat Naw Cream“ kommt man schnörkelloser auf den Punkt, als es der Titel vermuten lässt. Wenn jemand die Donots noch zu englischsprachigen Zeiten kennen- und/oder lieben gelernt hat, dann könnte „Mix Master Wade On The Beat“ ein Anspieltipp sein. Trotz unterschiedlichster Einflüsse ergänzen bzw. beflügeln sich diese Stücke gegenseitig. Der Hörgenuss reißt bis zum Schlusspunkt der Veröffentlichung nicht ab. Google nennt das Emergenz.
Man erkennt schnell: Hot Mulligan verstehen etwas vom mitreißenden Musizieren. Vor dem geistigen Auge sieht man die Band unwillkürlich beim „When We Where Young“ Festival als vorabendlichen Anheizer für allseits heißumworbene Szene-Größen aufspielen. Und manchmal ist der Headliner, wie Musiklieber*innen wissen, nichts zwangsläufig der tatsächlich bessere Act, sondern lediglich der Bekanntere. So dürfte es sich dann auch mit Hot Mulligan verhalten.
Wertung
Wenn es trotz anstehender Album-VÖ kaum/keine Live-Daten für den deutschsprachigen Raum gibt, darf man wohl von einem Geheimtipp sprechen. Ich wünsche der Band viel Erfolg mit diesem neuerlichen Output und würde mich über einige Headline-Dates durchaus freuen.
Marco Kampe
Der vormalige Fokus auf verzerrte E-Gitarren ist bei Marco einem übergeordneten Interesse an der Musikwelt gewichen. Die Wurzeln bleiben bestehen, die Sprossen wachsen in (fast) sämtliche Richtungen. Darüber hinaus bedient er gerne die Herdplatten oder schnürt sich die Laufschuhe.