pogendroblem und "Great Resignation": Ich kündige, also bin ich
14.10.2025 | Frank Diedrichs

Als Great Resignation wird während der Corona-Pandemie das massenhafte Kündigen sogenannter Bullshit Jobs bezeichnet – die bewusste Verweigerung, sich unter prekären Bedingungen weiterhin dem Diktat von Wertschöpfung und Wachstum zu unterwerfen. Fünf Jahre nach den ersten Lockdowns, nach Homeoffice, Homeschooling und Isolation, ist von dieser Resignation noch einiges geblieben: Müdigkeit, Entfremdung, eine innere Abkehr von all dem, was früher als „normal“ galt.
pogendroblem greifen diese Stimmung auf – mit Wut, Wucht und einer ungebremsten Energie. Ihr Punkrock bleibt temporeich, roh, fordernd. Schnelle Gitarren, treibende Drums, überlagernde Vocals, die zwischen Ironie, Ernst und Überforderung pendeln. Der Opener Great Resignation greift das Thema des Albums auf, vertont das Bedürfnis, einfach nicht mehr zu funktionieren, und endet lakonisch mit „Ich kündige“. Ein Satz, der nachklingt – weil ihn viele längst innerlich ausgesprochen haben.
Es kann nicht immer so weitergehen – formal ein Song über Beziehungen, bei dem Benta erstmals den Leadgesang übernimmt – wirkt wie ein Weckruf an eine Generation, die Pandemie und Stillstand besonders gespürt hat. Und doch, mitten im Überdruss, blitzt Hoffnung auf: Unser Jahrzehnt bricht den fatalistischen Ton auf, schreit fast trotzig: „Auf geht’s, ab geht’s – das ist unser Jahrzehnt!“ – der Versuch, zwischen Krise und Aufbruch einen neuen Takt zu finden.
Die Sache stellt linkes, soziales Engagement infrage, wenn gefragt wird: „Wann tut die Sache was für mich?“ Der Reiz, als Kind an einer Kruste zu kratzen, obwohl man weiß, dass der Heilungsprozess länger dauert, wird im gleichnamigen Song zum Bild für die Dünnhäutigkeit der Gegenwart. Woran sie liegt, bleibt offen. In den sozialen Medien scheint sie Ausdruck mangelnder Frustrationstoleranz und fehlenden Bedürfnisaufschubs zu sein.
Die neuen Selbstzahlkassen in Supermärkten versprechen Effizienz, Self Checkout kommentiert diese technische Neuerung zunächst ironisch, bevor der Begriff „Inflationsausgleich“ dem Song eine unerwartet nachdenkliche Wendung gibt: Wenn Preise steigen und Löhne stagnieren, bleibt nur noch Kreativität, um zu überleben.
In Praxis ohne Theorie kritisieren pogendroblem die Vereinnahmung von Meinung: das Privileg, sich nur dann äußern zu dürfen, wenn man über Bildung oder ein Feuilleton-Abo verfügt. Gegen etwas zu sein – ohne Studium, ohne Süddeutsche, ohne FAZ – steht jedem zu. Chillig Chillig beschreibt den pandemischen Vorher-Nachher-Zustand, der in „Kaffee und Kuchen“ endet – einzig der Hundeschiss vor der Tür des Nazinachbarn markiert einen Rest von Rebellentum.
Der Gegensatz zwischen Aufbruch und Rückzug durchzieht Alles oder Nichts. „Wir können alles verändern, aber fallen wir ins Gewicht?“ – eine Zeile, die das Gefühl der Bedeutungslosigkeit präzise fasst. Dieses Gedankenkarussell mündet in Starke Schmerzen, das die Gefahr des Auflösens thematisiert – des Nichtseins, ausgelöst durch die Entfremdung von Körper und Geist. Der Weg führt weiter in den Stillstand und endet in der bitteren Erkenntnis, „das Leben [zu] sterben, bis es endet“.
Das Schlussstück Von gar nichts haben wir uns befreit bündelt persönliches und kollektives Scheitern. Alle Kämpfe scheinen umsonst, Zufriedenheit in diesen Verhältnissen unerreichbar. Und doch, in der letzten Zeile blitzt etwas auf: „Ja, manchmal, wenn die Hoffnung durchscheint, bin ich geneigt, mich hinzugeben.“
In ihrer Presseinfo beschreiben pogendroblem das Album treffend als Sammlung „absurder Alltagsgeschichten“, als Auseinandersetzung mit „nicht mehr funktionierender Subjektivierung“ und „Fragmentierung der Gesellschaft“. Das ist nicht neu für die Band, aber sie schaffen es erneut, den Finger in die Wunden zu legen, die Resignation hinterlässt. Erstaunlich, denn kaum ein Song überschreitet die Zweieinhalb-Minuten-Marke. Musikalisch mischen sie Postpunk, Garage Rock und Pop-Elemente; als skurriles Highlight dient eine Brotschneidemaschine, die über einen Effektverstärker gejagt wird. Der Sound wirkt insgesamt vielschichtiger als auf den Vorgängern. Unterstützung kommt u. a. von Luise Funface (The Toten Crackhuren im Kofferraum), die bei Chillig Chillig mitwirkt.
Wertung
Ich mag, dass pogendroproblem auf Great Resignation nicht wirklich resignieren – im Gegenteil, das Album wirkt getrieben, nach vorne, energiegeladen. Der Sound mit den starken Postpunkelementen packt mich sofort, treibt die Songs voran, während der Gesang zwischen Schärfe, Ironie und Überwältigung pendelt. Es ist, als würde die Band genau das einfangen, was viele von uns nach der Pandemie fühlen: das Bedürfnis, etwas zu sagen, ohne sich groß zu erklären, die Mischung aus Müdigkeit und Trotz. Für mich macht gerade diese Kombination das Album stark und nahbar – kein Aufbruch im klassischen Sinn, aber ein klares Statement gegen Stillstand.

Frank Diedrichs
Frank lebt seit über zwanzig Jahren in der Mitte Niedersachsens und unterrichtet Kinder und Jugendliche an einer Oberschule. Nach seiner musikalischen Erstprägung durch die Toten Hosen und Abstürzenden Brieftauben erweiterte er seine Hörgewohnheiten: Folkpunk, Singer-/Songwriter, Blues, Deutschpunk, US-/UK-Punk. Dabei kommt von Johnny Cash über The Beatles und Pascow bis hin zu Marvin Gaye eine Menge Vielfalt aus den Boxen, am liebsten als Vinyl.