Nathan Gray und „Feral Hymns“: Endlich Solo
17.01.2018 | Moritz Zelkowicz
Die Vielseitigkeit von Grays Musik ist schlichtweg beeindruckend. Vom Post-Hardcore und Emo-Sound mit Boysetsfire und The Casting Out, über den Metalcore mit I Am Heresy bis hin zu dem mystischen Akustikabenteuer mit dem Nathan Gray Collective. Dieser Mann kann anscheinend alles singen und spielen.
Mit „As The Waves Crash Down“ beginnt das Album mit einer verdammt starken Message. In politisch brisanten Zeiten ist es wichtiger denn je, die Faust zu heben und seiner Meinung kundzutun. Dieser Opener ist die perfekte Hymne all derer. Kräftig, aber nicht zu überladen. Der Gesang wird begleitet von einer schlichten elektrischen Gitarre - mehr auch nicht. Und hier spielt Gray auch schon etwas mit dem Hörer. Ob bewusst oder unbewusst, man weiß es nicht. Gegen Ende spielt und singt er etwas auf, bis auf dem Höhepunkt die Gitarre aussetzt und er lauthals in das Break hineinschreit und man ein Aufspielen anderer Instrumente erwartet. Aber das bleibt aus und er spielt weiter wie zuvor. Ein kleines Schlitzohr.
In „Echoes“ wendet er einen Kniff ein, der das Lied live problematisch machen könnte. Man hört wieder eine elektrische Gitarre und zusätzlich noch eine akustische drüber, ganz im Stile des großen Billy Bragg. Gesang kommt natürlich von Nathan selbst, allerdings mehrstimmig. Man hat mehrere Stimmen von ihm aufgenommen, was auf dem Album absolut phänomenal klingt, allerdings kann man gespannt sein, wie das live klingen wird und ob es da genauso unter die Haut gehen wird. Denn das tut es über alle Maße.
„Alone“ schafft es dagegen, den Hörer regelrecht in eine Tristesse zu werfen. Wieder nur eine akustische Gitarre, diesmal noch mit Streichern ergänzt. Dazu noch dieser unglaublich berührende Text über das allein in die Welt geworfen sein eines jeden Menschen und den Umgang damit. Das geht tief unter die Haut. Diese emotionale Schwere zieht sich durch das gesamte Album und ist der rote Faden in „Feral Hymns“. Aber das Ganze wirkt stets authentisch, sodass man sich als Hörer leicht in die Emotionen hineinfühlen kann, ohne plakativ anbiedernd zu erscheinen. Sehr pathetisch wird es auch nochmal gegen Ende der Platte, wenn Gray zu „Damascus“ ansetzt. Hallige Stimme, verzerrte Streicher, gesetzte Dissonanzen, aber diesmal ganz ohne Gitarre feuert Nathan Gray ein atmosphärisches Feuerwerk ab, das nichts weiter als Gänsehaut hinterlässt. Dieser Mann weiß einfach, wie man Atmosphäre und damit Gänsehaut erschafft.
Ein schlichtes und schnörkelloses Album. Und genau diese Schnörkellosigkeit ist es, die den Hörer zum Staunen bringt. Denn der Sound der Platte beschränkt sich auf ein Minimum. Gitarre, manchmal Streicher, manchmal Piano, doch in erster Linie: Gesang. Und dass Gray den drauf hat ist kein Geheimnis. Diesmal also wirklich Solo. Und in der Rückschau auf seine Solo-EP und das Nathan Gray Collective, hat er mit dieser Platte sein bestes Werk abgeliefert.
Wertung
Emotionalität und das Simple in der Musik. Großes mit dem Kleinen erschaffen, dafür steht Nathan Gray auf „Feral Hymns“. Das kann man einfach so stehen lassen und genießen.
Moritz Zelkowicz
Moritz deckt als Franke den Süden Deutschlands ab. Er versucht beständig Teil der Lügenpresse zu sein, ist aber ansonsten im Marketing tätig. Musikalisch ist er überall dabei, ob Punk, Core oder Rap, erlaubt ist, was gefällt.