Dope Lemon und "Golden Wolf": Der Sommer startet genau jetzt
05.05.2025 | Colin Vogt

Hängematte hängt, Bluetooth Box auf Anschlag, Bierchen liegt im Wasser und der blaue Himmel glitzert zum ersten mal dieses Jahr im See. Genau so habe ich die neue Platte „Golden Wolf“ von Angus Stone aka Dope Lemon in mich aufgesogen. Wobei, eigentlich habe ich genau so jedes Dope Lemon Album jemals schon mal in mich aufgesogen. Und ich glaube da bin ich bei weitem nicht der einzige. Wer Dope Lemon hört, weiß eben was er oder sie bekommt. Das ist einfach Musik für einen Tag am See, am Strand, im Wald – das ist einfach Sommermucke! Kleiner Spoiler zum Anfang: auch auf dieser Platte bekommen viele Fans wieder genau das was sie erwarten. Auch ich hatte mich ja präventiv schon mal in die Hängematte geschwungen, bevor ich überhaupt einen Ton vom Album gehört hatte. Aber muss das zwingend schlimm sein? Natürlich nicht. Vorallem aber auch, weil „Golden Wolf“ sogar ein paar unerwartete Schmankerl parat hat.
Angus Stone ist vielen vielleicht durch das Indie-Folk Projekt Angus & Julia Stone mit seiner Schwester ein Begriff. Mit Dope Lemon hat er aber seit nun mehr 9 Jahren seine ganz eigene verträumte Reise erschaffen. Der Psychedelic-Sound und die leicht verzerrten Vocals sind auch auf dem 5. Studioalbum wieder der Trademark-Sound des Australiers. Auf „Golden Wolf“ gibt es aber, ebenso wie auf „Kimosabè“ vor 2 Jahren, auch wieder experimentelle Ausreißer und vor allem ungewohnt persönliche Texte. Lyrisch waren die Vorgänger-Alben bekannterweise nicht sonderlich tiefgreifend. Hier und da mal eine Line über Drogen und die Vergänglichkeit des Seins machten keinen direkten Raum für persönliche Ebenen auf. Aber genau das war auch der USP der Musik – Dope Lemon Platten waren schon immer einfach ein psychedelischer Safespace im Hier und Jetzt. Fernab von Politik und anderen Schwermütigkeiten. Inwiefern der Spagat zwischen persönlicheren Texten und der altbekannten Leichtigkeit gelungen ist? Schauen wir rein.
Die ersten 4 Songs des Albums sind auch gleichzeitig die Single-Auskopplungen der letzten Monate. Rein starten wir mit meinem persönlichen Favoriten des Albums - „John Belushi“. Den Song eröffnet ein Clip, den jeder der schon länger als 10 Jahre im Internet stattfindet, kennen sollte. Die ersten Sekunden des Albums werden vom Kult-Meme eröffnet, in dem der Reporter von der Verbrennung eines riesigen Drogenhaufens berichtet und dabei unendlich high von den Ausdünstungen in die Kamera moderiert. Thematisch knüpft der Song auch genau dort an.
Das Stück startet mit der Line „I'm doped out, self-medicated at all times“ – wer jetzt eine unbeschwerte Hymne an bewusstseinserweiternde Substanzen erwartet, wird aber schnell enttäuscht. Denn bereits in der zweiten Zeile wird klar, dass dies der Blues sei, zu dem der Bestatter am liebsten sein Bein schwingt. Auch Namensgeber John Belushi, der eine der beiden Blues Brothers, der mit 33 Jahren an einer Heroin-Koks Überdosis starb, hat seinen Auftritt im Song. Stone beschreibt hier die Wechselwirkung aus Drogen, dem Tod und zwischenmenschlichen Beziehungen. Nach dem Meme-Intro und dem typisch lockeren Indie-Riff kommt der schwermütige lyrische Bruch zu Beginn etwas unerwartet, bietet aber einen perfekten Vorgeschmack darauf, dass die Reise dieses mal etwas tiefer geht.
Weiter geht’s mit der zweiten Single „Sugarcat“ hier wird mir innerhalb der ersten 10 Sekunden klar, warum ich meine Hängematte aufgehangen habe. Ab der ersten Sekunde schimmern weltraumartige Synthies über den Beat. Der Song fühlt sich sofort super dreamy an und endet dann in der wohl coolsten Gitarren-Leadline des Albums - die hätte ruhig schon früher im Song einbezogen werden können!
Gedanklich bleibt man beim Folgesong „Electric Green Lambo“ irgendwie am selben Ort. Der nimmt zwar etwas Geschwindigkeit raus, aber Harfe, Tamburin und funky Riffs behalten die Hörenden szenisch genau am selben Ort, wo laut Stone Honig fließt und Träume wahr werden. Die letzte Single „Golden Wolf“ geht ein Stück zurück zu den klassischen Indie-Wurzeln. Traditionelles Bass-Schlagzeug-Gitarre Setup und ab und an ein Synthie. Eine frische Abwechslung zu den vorangegangenen Tagträumen.
Aber das soll nicht lange so bleiben. Bereits die ersten 4 Takte von „Yamasuki – Yama Yama“ machen klar, dass es jetzt experimentell wird. Dieser Song ist einer der „unerwarteten Schmankerl“, die ich eingangs erwähnt habe. Ein hart stampfender Gong-artiger Beat breitet einen mystischen Teppich aus, chorartige Schreie peitschen die Hörenden über die Percussions. Eine Art mongolischer Kehlkopfgesang erweitert den psychedelischen Vibe dann komplett. Irgendwie bricht der Song das Album an der Stelle komplett auf. Denn auch der nachfolgende Song ist wieder was komplett anderes. „We Solid Gold“ könnte genauso wie er produziert ist auch in einer melancholischen 2010er Vodafone-Werbung laufen. Sehr eingängig, sehr poppig aber der Song plätschert auch irgendwie einfach nur dreieinhalb Minuten ohne Hook vor sich hin. Für mich einer der unspektakulären Titel des Albums.
Wenn die nächsten Songs ein Sommertag wären, dann wäre „She’s All Time“ mit Nina Nesbitt der Tag am Strand und „On The 45“ definitiv der Abend am Lagerfeuer. Der Feature-Song startet mit einer catchy Surf-Rock Gitarre und bestärkt mich mit seiner absoluten Sommer-Hook erneut in meiner Entscheidung, dieses Album gerade in der Hängematte zu hören. In diesem Moment frage ich mich auch, ob das Bier und die 27 Grad Außentemperatur schon ihren Job machen oder ob ich den Feature Gast Nina Nesbitt wirklich gar nicht wahrgenommen habe? Mehr als ein paar dezente Backround-Vocals sind für Nina dabei aber anscheinend wirklich nicht rumgekommen. Kommen wir zum Abend am Lagerfeuer: „On The 45“ löst mit der treibenden Akustikgitarre in mir sofort das Verlangen aus 5 Freunde anzurufen und die ganze Nacht hierzubleiben. Wenn man an Dope Lemon denkt, denkt man an genau diesen Sound.
„Golden Wolf“ und damit auch mein produktiver Tag in der Hängematte endet mit einem fast 8-minütigem Instrumental. So muss es sich anfühlen, wenn man auf bewusstseinserweiternden Substanzen das Law & Order Theme zum ersten mal schaut. Stone beendet die 10 Tracks andauernde Reise mit einer kurzen Spoken Word Sequenz und entlässt uns mit einer gewohnt hochqualitativen Platte in den Feierabend. Wenn da nicht noch der Heimweg mit dem Fahrrad wäre arrrgh.
Wertung
Angus Stone wird mit seiner 5. Platte als Solokünstler dem Mainstream ein Stückweit mehr gerecht, aber durch unerwartet experimentelle Ausreißer irgendwie auch gar nicht. Der Spagat zwischen Pop und dreamy-psychedelischem Indiefolk ist auf „Golden Wolf“ wahrscheinlich so klar rauszuhören wie auf keiner Dope Lemon Platte zuvor. Es kommt ein bisschen so rüber, als würden diese zwei Wölfe auf Albumlänge miteinander kämpfen. Abstriche müssen dabei nur diejenigen machen, die sich für eine der beiden Seiten entscheiden wollen.

Colin Vogt
Wenn der Fokus gerade nicht auf seiner Gitarre liegt, dann zumindest im konsumieren von Punk, Emo, Metal und allem, was die Palette sonst so hergibt - am liebsten live aus dem Pit. Colin lebt in Leipzig und ist freiberuflicher Texter. Zu seinen Lieblingskunden zählt vor Allem das Wacken Festival, für das er das ganze Jahr über arbeitet.