Press Club und "To All The Ones That I Love": Stressfrei
26.05.2025 | Mark Schneider

Ich bin diese Review etwas anders angegangen, als ich es normalerweise mache. Klar, ich habe bereits vor Release in das neue Album von Press Club reingehört, und doch wollte ich dieses Mal andere Meinungen berücksichtigen. Meine Ohren kennen die Band. Sie kennen den Sound. Sie kennen die drei Vorgängerplatten. Doch was denken eigentlich völlig unbeteiligte Menschen über das Album "To All The Ones That I Love"? Dem auf den Grund zu gehen, ist ja zum Glück keine komplizierte Sache: Am Releasetag nicht nur den Grill, sondern auch unkommentiert dieses Album anmachen und einfach mal schauen, wie die eigenen Gäste so reagieren. Und siehe da: Die besonderen und erwähnenswerten Reaktionen blieben aus. Der Sound passte verblüffend gut zur Situation. Zum Geruch des Grills, zur strahlenden Sonne und zum Drink auf dem Gartentisch. Kurz vor Ende des Albums klopfte ich dann einmal vorsichtig die Meinung zur laufenden Musik ab und bekam eine einfache, herrlich unverkopfte und dadurch absolut ehrliche Antwort: "Ich finde das ist total stressfrei".
Stressfrei. Ein Begriff, der gut und gerne stellvertretend für "To All The Ones That I Love" stehen bleiben darf. Press Club entwickeln sich musikalisch immer weiter. Habe ich beim Debütalbum noch vom kratzigen und verzerrten Klang von Natalies Stimme geschrieben, während uns die Titel rau und ungeschliffen um die Ohren gefeuert wurden, setzt "To All The Ones That I Love" im direkten Vergleich dazu zumindest zum Schaltvorgang zurück an. Das gilt im Gesamten nicht im Bereich des Tempos, und auch hört Natalie nicht auf an den passenden Stellen richtig laut zu werden. Doch diese rohe, rauschende und verzerrte Art, die die Anfänge der Band maßgeblich prägte, weicht nun klareren, ausproduzierteren Melodien. Nach dem Opener "I Am Everything" oder auch im Verlauf von "Wilt" als direkt folgendem Titel könnte durchaus die Sorge aufkommen, dass zu viel der DNA verloren gegangen sein könnte. Setzen jedoch die Instrumte in "Wilt" einen Moment aus und Natalies kratzende Stimmbänder tragen den Song diesen Moment ganz alleine, fällt der Startschuss für ein Album, welches einen guten Mittelweg zwischen den genannten Anfängen und Press Club im Jahr 2025 findet. Es folgt eine gute halbe Stunde, in der jede*r Liebhaber*in von Press Club das Herz aufgehen dürfte. Highlight und Anspieltipp für mich: "Tightrope" mit seinen Backround-Vocals und dem vom Schlagzeug getriebenen Beat mitsamt Gitarrensolo. Ich könnte mich daran gewöhnen und habe es längst getan.
Wertung
Press Club gehören mittlerweile zu den Bands, an denen ich mich einfach nicht leid hören kann. Und auch wenn sie dann zwischen zwei Alben doch wieder ein wenig in Vergessenheit geraten sollten, entfacht eine Neuveröffentlichung dieses Feuer nun zum dritten Mal seit "Late Teens" auf Anhieb aufs Neue. "To All The Ones That I Love" reiht sich in eine Reihe von Alben ein, die zwar von Weiterentwicklung begleitet werden, dabei jedoch nie die Wiedererkennungsmerkmale missen lassen.

Mark Schneider
Mark kommt aus der wunderschönen, ländlichen Provinz zwischen Siegen und Marburg an der Lahn. Ob kleine Acts im Club oder Musikgiganten vor Tausenden: Besucht wird, was laut ist und Spaß macht! Dabei sind im Genre (fast) keine Grenzen gesetzt.