GenreGPT - Ausgabe 17: Forest Black Metal
13.11.2025 | Moritz Zelkowicz
Es gibt alle Genres, denk dir eine Kombination aus, und du wirst eine Playlist dazu finden. Und wir fragen ChatGPT, welche Nische wir mit der Taschenlampe der Kritik beleuchten und welche Schätze wir mit dem Staubwedel der Bewunderung freilegen. Das ist GenreGPT! Heute: Forest Black Metal.
Es gibt Musik, die klingt nach Großstadt, nach Beton, nach kalten Neonlichtern. Und dann gibt es Forest Black Metal – Musik, die klingt, als wäre man mit einem rostigen Kassettenrekorder und einem Sack voll Wut in den Wald gezogen, um nie wieder gefunden zu werden.
Forest Black Metal ist ein Ort, kein Genre. Ein Gefühl, kein Stil. Oder, um es weniger poetisch zu sagen: ein Typ mit Corpsepaint, der mit einem abgebrochenen Besenstiel auf eine Akustikgitarre eindrischt, während das Mikrofon in einem Ast hängt.
Was ist das denn nun?
Im Kern ist Forest Black Metal eine besonders naturverliebte, ambient-geschwängerte, DIY-nahe Ausprägung des Black Metal. Also kein Studio, kein Produzent, kein Licht. Statt Blastbeats und satanischen Ritualen geht es hier um Moos, Bäume und Einsamkeit. Die Songs sind oft endlos lang, strukturlos, atmosphärisch, und meist so schlecht aufgenommen, dass man glaubt, der Wald selbst hätte das Mastering übernommen. Klingt übertrieben? Nur ein bisschen.
Wo kommt das her?
Wie so vieles im Black Metal: aus Norwegen, irgendwann in den frühen 90ern. Die zweite Welle des Black Metal brachte nicht nur verbrannte Kirchen, sondern auch einen Haufen Leute hervor, die dachten: „Moment, wir könnten das Ganze doch auch ohne Strom machen.“ Einer der ersten, die diese Idee ernsthaft betrieben, war Burzum – genauer gesagt das 1996 erschienene Album Filosofem. Keine Drums, keine Screams, nur eine monotone Keyboardfläche, ein Gitarrenton wie ein entferntes Gewitter, und darüber das leise Rauschen einer kaputten 4-Spur-Kassette. Das war der Moment, in dem Black Metal anfing, mit der Natur zu verschmelzen.
Nicht im ökologischen Sinn, versteht sich, eher im existenziellen.
Von der Fichte zum Fuzz
In den späten 90ern und frühen 2000ern entstand dann das, was man heute im Netz als „Forest Black Metal“ oder „Atmospheric Black Metal“ findet – mit einem klaren Unterschied zu herkömmlichem Black Metal: Weniger Satan, mehr Naturmystik. Weniger Hass, mehr Nebel. Bands wie Paysage d’Hiver, Drudkh oder Elderwind sind Paradebeispiele. Deren Musik klingt, als würde man gleichzeitig erfrieren und spirituell erleuchtet werden. Paysage d’Hiver, das Soloprojekt des Schweizers Tobias Möckl, ist quasi die Speerspitze: Songs von zwanzig Minuten Länge, aufgenommen, als hätte man das Mikrofon in eine Schneeverwehung gelegt. Titles wie „Der Winter II“, „Welt aus Eis“ oder einfach „Schnee“ – das ist nicht metaphorisch, das ist wörtlich.
Drudkh, aus der Ukraine, gehen einen ähnlichen Weg, nur mit mehr Folk-Einflüssen. Sie klingen wie ein Spaziergang durch einen Wald, in dem man nicht sicher ist, ob man wieder rausfindet.
Und warum „Forest“?
Weil Wald im Black Metal nie einfach Wald ist. Der Wald ist Rückzug, Romantik, Widerstand gegen Zivilisation. Eine Art metaphysischer WLAN-freier Raum. Viele dieser Bands schreiben ihre Texte über Natur, Einsamkeit, Nebel, Ewigkeit – und meinen damit natürlich sich selbst. Der Wald als Spiegelbild des inneren Nichts. Oder wie man im Genre sagt: „True Isolation“. "Beliebig viele Tränen einfügen"
Das Klangbild
Musikalisch ist Forest Black Metal eine Herausforderung. Da trifft monotones Tremolo-Picking auf sanftes Windrauschen. Manchmal sind da Akustikgitarren, manchmal Flöten oder Field Recordings – Vogelgezwitscher, Wind, ein Bachlauf. Und manchmal, ganz plötzlich, bricht dann wieder eine Gitarrenwand herein, als würde man von einem Elch überrannt.
Die Produktion ist fast immer absichtlich schlecht. Nicht aus Unvermögen, sondern als ästhetisches Konzept: Authentizität durch Übersteuerung. Man will das Gefühl, dass der Sound aus dem Unterholz kommt, nicht aus einem Studio in Stockholm.
Die Szene
Forest Black Metal ist kein Ort für Glamour. Keine Festivals, keine Fotoshootings, keine Interviews. Wenn überhaupt, dann taucht auf Bandcamp ein Album auf, mit einem Cover aus einem unscharfen Baumfoto und Songtiteln in Frakturschrift, die keiner entziffern kann. Veröffentlichungen tragen Namen wie "Through the Mist of Pine and Grief" oder "Winter Solitude of the Forgotten Elk".
Oft sind die Musiker:innen Ein-Mensch-Projekte mit Namen wie Grimfrostmoon, Svartskog oder Mourning of the Birchpath. Und die meisten hören nach zwei Demos auf, weil das Mikrofon kaputtgeht oder der Laptop erfriert.
Forest Black Metal ist die logische Weiterentwicklung eines Genres, das ohnehin lieber allein im Dunkeln ist. Es ist das Genre für Menschen, die „Social Distancing“ schon gemacht haben, bevor es cool war. Für Leute, die sich wünschen, dass ihr Spotify Wrapped einfach „Windgeräusch“ heißt. Und doch hat es etwas Schönes. Etwas Reines. Zwischen all dem Rauschen, den endlosen Drones und der misanthropischen Mystik steckt eine echte Zärtlichkeit zur Natur – so seltsam sie sich auch äußert.
Forest Black Metal ist das, was passiert, wenn man im Wald schreit – und der Wald antwortet. Das Internet wird sich nicht durchsetzen, aber ein ausgegrabenes Tape aus dem Schwarzwald vielleicht schon.
Moritz Zelkowicz
Moritz ist als Franke im sehr nahen Osten (Thüringen) gelandet. Er ist Teil der Lügenpresse auf Bundesebene und Bundesumweltminister der Redaktion. Musikalisch ist er überall dabei, ob Punk, Core oder Rap, erlaubt ist, was gefällt.