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Konzertbericht

Das Hurricane Festival 2025: Staub und Krach

04.07.2025 | Kai Weingärtner

Zum 29. Mal fand Mitte Juni das Hurricane Festival auf dem Eichenring statt. Trotz holprigem Timetable und einer Menge Staub entpuppte sich die Großveranstaltung in diesem Jahr als erstaunlich entspannt.

Als ich um halb zwölf in den schon proppevollen Regionalexpress nach Bremen steige, der mich an den Ort des Geschehens für dieses (hoffentlich) sonnige Juni-Wochenende bringen soll, befinden sich meine Camp-Mitstreiter:innen bereits seit mehreren Stunden im Auto auf dem Weg zu ebendiesem Ort. Selbstzufrieden erkenne ich ein weiteres Mal an, dass öffentliche Verkehrsmittel die überlegenen Transportmöglichkeiten sind. Gut, dass die anderen meine kompletten Getränke nicht nur für mich eingekauft, sondern auch im Auto für mich eingepackt haben, davon soll hier mal nicht die Rede sein. Wichtig ist ja, dass ich entspannter ankomme. So ereignet es sich tatsächlich auch, und obwohl ich bis Bremen stehen muss, purzle ich in Scheeßel bester Laune aus dem Zug und begebe mich mit den Heerscharen der anderen Campenden auf den ca. 20-minütigen Spaziergang zum Gelände. Eine charmante Besonderheit des Hurricane-Festivals sind seit jeher die Kinder des Ortes, die am Bahnhof schon mit ihren Kettcars warten, um die Anreisenden im Tausch gegen ein kleines Trinkgeld um einen Teil ihrer Ladung erleichtern und diese dann am Campingplatz abliefern. Hier offenbart sich nun die erste Irritation meinerseits: Statt den liebevoll hergerichteten Kettcars mit Aufschrift “Gepäcktransport 5€” warten am Ausgang des Bahnhofs Cargo-Bikes von irgendeinem seelenlosen Startup, die wie so oft den Ansässigen die Arbeit unter den Fingern weg gentrifizieren. Was für ein Trauerspiel… 

Am Camp angekommen begrüße ich freudig den restlichen Teil meiner Reisegruppe, die mich kurz nach Zeltaufbau direkt zu einem Gang in Richtung Auto verpflichtet, um die restliche Verpflegung anschleppen (gut, das hab ich mir wohl verdient, als ich den Transport bis hierher outgesourct habe). Einen Spaziergang und eine semi-professionelle Pavillon-Aufbau-Session später sitzen wir alle gut gelaunt und mit erfreulicherweise noch kühlen Getränken ausgestattet in der Sonne: Das Festival kann losgehen!

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Lars Fricke/https://fkpscorpio.de/de/presse/detail/downloads-hurricane-festival-1167/

Bis ich mich zur ersten Band der donnerstäglichen Warm-Up-Party aufmache, vergehen aber noch ein paar Stündchen. Es ist inzwischen ziemlich kalt geworden, so dass der Gang zur Wild Coast Stage für mich ein willkommenes Aufwärmprogramm darstellt. Die Bühne befindet sich in einem riesigen Zelt, in dem es zwar angenehm warm, aber auch schon vor Konzertbeginn extrem laut ist. Die Unterhaltungen der vielen Anwesenden prallen von der Plane zurück und erzeugen dadurch einen Lärm, der klingt, als würde draußen ein Jahrhundertregen auf das Gelände einprasseln. Kaum betreten die drei Personen, für die ich den Weg hierher auf mich genommen habe, die Bühne, übertönt die Anlage das Publikum aber um ein Vielfaches. Fatoni, Edgar Wasser und Juse Ju stehen da vor dem DJ-Pult, gekleidet in Adidas-Trainingsanzügen, und erinnern so unweigerlich ein bisschen an die Akademiker:innen-Variante von K.I.Z.. Ihr dieses Jahr erschienene Kollabo-Album trägt den Titel “B.A.W.R.S”, und die liefern die drei Rapper auch. Die Energie ist sowohl auf der Bühne als auch im Publikum hoch, und obwohl ich kaum mehr als drei Songs der Platte kenne, reißt mich die Performance direkt mit. Noch begeisterter bin ich dann, als die drei jeweils ihre kurzen Solo-Auftritte in der Mitte der Setlist bekommen, in der jeder einen kurzen Moment im alleinigen Rampenlicht bekommt. Ein gelungener Start ins Wochenende.

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Julia Schwendner/https://fkpscorpio.de/de/presse/detail/downloads-hurricane-festival-1167/

Freitag

Als ich am nächsten Morgen aus meinem Zelt krieche, gleicht der Innenraum dessen bereits einem Hochofen aus Nylon und ruft mir schmerzlich die für das Wochenende prognostizierten 30° ins Gedächtnis. Naja egal, erstmal Frühstück. Da mein persönliches Programm an diesem Tag erst ab 17 Uhr beginnt, nutze ich die Zeit, um im Schatten des Pavillons mit den anderen Anwesenden über die Running Order des Festivals zu schauen. Die erweist sich für mich, wie in jedem Jahr beim Hurricane, als absoluter Verkehrsunfall. Scheinbar hat nämlich die Person, die die Zeitslots beim Hurricane verantwortet, einen exakt komplementären Musikgeschmack zu meinem, sodass ich eigentlich immer mindestens 5-6 Acts verpasse, weil sie gleichzeitig mit anderen spielen, die ich auch sehen will. Folgende Künstler:innen konnte ich aus diesem Grund leider nicht anschauen: Blackout Problems, Blond, Bibiza, Leoniden, Nina Chuba, Royal Republic und noch einige andere. Das ist zwar ärgerlich, lässt sich bei so einem riesigen Festival allerdings vermutlich auch einfach nicht vermeiden. 

Gegen halb fünf begebe ich mich mit ein paar anderen schließlich auf den Weg zur Mountain Stage (für Hurricane-OGs, das ist die rote Bühne). Dort erklimmen in der Nachmittagssonne Thrice die Bühne, die trotz Hitze und entsprechend trägem Publikum eine solide Show abliefern. Die erwähnte Trägheit sitzt auch mir zu diesem Zeitpunkt noch in den Knochen, sodass ich mir das Konzert aus dem komfortablen Schatten des Getränkestands anschaue. Schließlich stehen für den weiteren Verlauf des Tages noch ein paar weitere Konzerte auf der Agenda. Nachdem Thrice ihre Show beendet haben, machen wir uns auf den Weg zur River Stage (das ist die blaue Bühne). Die hat den großen Vorteil, dass das Feld hinter ihr leicht abschüssig ist, sodass man auch von sehr weit hinten noch wunderbar Konzerte schauen kann, in die man nicht so super investiert ist. Genau das mache ich nun auch. Während wir auf das Konzert von Girl In Red warten, lasse ich mich von Joe Keery alias Djo beschallen, der einigen vielleicht durch seine Rolle in der Netflix-Serie Stranger Things bekannt ist. Nachdem der mit seiner Show durch ist, tasten wir uns langsam ein wenig nach vorne, um dem Auftritt der Norwegerin Girl In Red aus der Nähe beizuwohnen. Das erweist sich auch ab Sekunde eins als die absolut richtige Entscheidung, denn Marie Ulven und ihre Band schrauben ab dem ersten Song die Energie ganz weit hoch. Zwischen den Songs, die im Live-Setting durchaus nochmal mehr Wumms haben als auf Platte, erweist sich Girl In Red als überaus sympathische und nahbare Person mit starken Entertainer-Qualitäten. Normalerweise induzieren die deutschen Sprechversuche internationaler Künstler:innen nichts als Cringe in mir, aber Ulven schafft es irgendwie, das tatsächlich interessiert und authentisch rüberkommen zu lassen. Dieses Charisma überträgt sich auch auf das Publikum vor der Bühne, dass einen Indie-Banger nach dem anderen aus voller Kehle mitgrölt. Entsprechend mischt sich Missmut in meine Vorfreude, als ich das Konzert nach knapp 25 Minuten verlasse, um mir einen Weg zur Hauptbühne zu bahne, wo das Highlight des Tages auf mich wartet. Sämtliche Bedenken, ob ich es noch passend zu Beginn des Konzertes der besten Band aller Zeiten nach vorne schaffe, erweisen sich als fehlgeleitet. 

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Line Tsoj/https://fkpscorpio.de/de/presse/detail/downloads-hurricane-festival-1167/

Das Hurricane scheint in diesem Jahr bei weitem nicht ausverkauft zu sein, was die Navigation zwischen den Bühnen enorm entspannt macht. Ich kann tatsächlich keine 15 Minuten vor Konzertbeginn ohne Mühen bis in die zehnte Reihe vor der Bühne laufen, wo ich aufgeregt darauf warte, dass Biffy (Fucking) Clyro ihre Show starten. Es ist ziemlich genau sieben Jahre her, dass ich die drei Schotten genau hier zum letzten Mal live sehen durfte. Damals hatte die Band eine Setlist im Gepäck, die mir den Mund bis heute offen stehen lässt. Verglichen damit erweist sich die Setlist am heutigen Tage eher als zahm. Biffy Clyro spielen die Hits ihrer letzten beiden Alben sowie Dauerbrenner wie “Bubbles”, “Black Chandelier” und natürlich “Many Of Horror”. Die schrammeligen, merkwürdigen und proggigen Songs bleiben leider weitgehend aus. Spaß habe ich trotzdem, schreie mir die Seele aus dem Leib und freue mich einfach, meine Lieblingsband endlich mal wieder live gesehen zu haben. Mit dem letzten Wort aus Simon Neils Mund endet auch mein Pflichtprogramm für den heutigen Tag, alles weitere ist Bonus. Der Bonus nimmt konkret die Form eines Burritos an, den ich mir einverleibe, während ich die letzten Ausläufer des Auftritts von Rise Against aus der Ferne beobachte. Gemessen an meinen in den letzten Jahren rapide gesunkenen Erwartungen an die Live-Auftritte der Amerikaner, klingt das heute erstaunlich gut. Klar, das mit Takt halten wird an der ein oder anderen Stelle eher frei interpretiert, und auch Tim McIlraths Stimme kommt nicht immer ganz mit, aber das habe ich in der Vergangenheit schon durchaus schlimmer gehört. Ein versöhnlicher Abschluss für einen durchaus gelungenen ersten Festivaltag. 

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Antonia Polukhina/https://fkpscorpio.de/de/presse/detail/downloads-hurricane-festival-1167/

Samstag

Mit vorhergesagten Temperaturen weit jenseits der 25° und spärlichem Schattenangebot auf dem Festivalgelände verspricht der Samstag anstrengend zu werden, vor allem da mein erster Programmpunkt mit der Rückkehr der legendären Ska/Rap-Kombo Irie Revoltés schon um 14 Uhr auf dem Plan steht. Der Gang durch die erbarmungslose Sonne lohnt sich allerdings, denn der Rest des Publikums hat die Rückkehr der Band offensichtlich mindestens genauso sehnlich erwartet wie ich, und der Bereich vor der Main Stage ist für einen so frühen Auftritt sehr gut gefüllt. Und plötzlich bin ich wieder 17 und frisch politisiert, als ich die Zeilen von Songs wie “Alléz” und “Fäuste hoch” mitrappe und dazu auf dem sandigen Rasen auf und ab springe. Hier zeigt sich auch zum ersten Mal an diesem Wochenende der berüchtigte Staub, der das Hurricane Festival seit einigen Jahren mehr prägt als die namensgebenden Unwetter. So richtig schlimm ist das zum Glück nur auf der Mainstage, über der spätestens ab dem Samstag Nachmittag eine permanente bräunliche Wolke liegen wird. Glücklicherweise bespielen The Murder Capital, die auf meiner Liste als nächstes stehen, die Wild Coast Stage im Zelt, was sowohl Schatten als auch staubfreie Luft verspricht. Nichts wie hin also! Aufgrund des starken Alternativprogramms ist das Publikum hier um einiges ausgedünnter als noch bei Irie Revoltés, der Stimmung der Band aus Irland scheint das allerdings keinen Abbruch zu tun. Als ich im Zelt ankomme, leuchtet über das LCD-Display im Backdrop gerade eine Solidaritätsbekundung mit der Bevölkerung des Gaza-Streifens, die weiterhin unter den Repressionen der Netanyahu-Regierung leidet. Das wird seitens des Publikums mit anerkennendem Applaus quittiert. In Rockstar-Manier spielen The Murder Capital ihr Set runter und profitieren dabei maßgeblich von der permanenten Dunkelheit im Zelt, die die Stimmung ihrer düsteren Post-Punk-Songs sehr viel besser transportiert als Staub und Sonne das könnten. 

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Rebecka Wiesehan/https://fkpscorpio.de/de/presse/detail/downloads-hurricane-festival-1167/

Auf dem Weg vom Zelt zur weit entfernten Mountain Stage lausche ich noch kurz den ersten zwei Songs von Jimmy Eat World, bevor ich zusammen mit den anwesenden Jan Windmeier die Worte “Husum, verdammt!” entgegenschleudere. Turbostaat klingen wie immer fantastisch und knattern in gewohnt nordischer Stoik durch ihre Setlist. Das minimalistische Bühnenbild, das normalerweise nur durch ein paar große Glühbirnen an den Mikrofonen und dem Schlagzeug erhellt wird, kann zwar in der Nachmittagssonne nicht besonders glänzen, der Stimmung tut das aber keinen Abbruch. Auch modetechnisch präsentiert sich die Band aus Husum (verdammt!) als stilbewusst, Schlagzeuger Peter Carstens rockt nämlich ein T-Shirt, auf dem ein Monobloc zu sehen ist, während Gitarrist Tobert den mittlerweile locker 28° in voller Jeans-Montur plus Wollmütze trotzt.

Als ähnlich stilsicher erweisen sich die Brit:innen Wet Leg, auf deren Auftritt ich mich heute mit am meisten freue. Das Duo aus Rhian Teasdale und Hester Chambers wächst im Live-Kontext auf insgesamt fünf Mitglieder an, die allesamt in weißen Outfits die Bühne betreten. Ein Highlight hier ist ebenfalls die giftgrüne Acrylgitarre, auf der Teasdale die ersten Riffs des Sets schmettert. Dabei profitieren Wet Leg vom exzellenten Sound der River Stage, der die kratzigen Songs der Band wunderbar schrammelig über die Zuschauenden ergießt. Wet Leg lassen keinen Hit aus und bieten sogar einige bis dato unveröffentlichte Tracks ihres im Juli erscheinenden Albums “Moisturizer” dar. Meine persönlichen Highlights sind hier wie zu erwarten das absurde “Chaise Longue” und der neue Song “Pillow Talk”. Nachdem Wet Leg ihren Auftritt beenden teilt sich unsere Gruppe auf, mit der Absprache, nachher alle zusammen den Auftritt von Sam Fender anzuschauen. Ich schließe mich der Gruppe an, die durch den Staub zur Forest Stage rüber flaniert, um mir dort Deftones anzuschauen. Ich blicke dem Auftritt der legendären Band aus Kalifornien mit einer Mischung aus Vorfreude und Skepsis entgegen, erzählt man sich doch seit Jahren über die Auftritte der Band, dass Sänger Chino Moreno, sagen wir mal, “unterwältigend” abliefert. Diese Sorge entpuppt sich als weitgehend unberechtigt. Moreno klingt zwar nicht annähernd so gut wie auf den Studioalben, wer aber mal eine Deftones-Platte gehört hat, kann sich aber sicher vorstellen, dass das ein kaum zu erreichendes Ideal darstellt. Immerhin kann ich am heutigen Abend fast alles Lyrics verstehen, was für eine Deftones-Show durchaus nicht selbstverständlich ist. Das Set der Band dauert trotz erklärtem Headliner-Status nur 60 Minuten, hat es dafür aber in sich. Schon der Einstieg aus “Be Quiet And Drive”, “My Own Summer” und “Diamond Eyes” lässt kein Fan-Auge trocken, und im Verlauf des Auftritts gesellen sich unter Anderem noch “Feliciteira”, “Rocket Skates” und der legendäre “Change (In the House of Flies)” dazu. Warum man diese Band nicht zwei Stunden später und zwanzig Minuten länger spielen lässt, erschließt sich mir zwar nicht, aber immerhin kann ich nun Deftones von meiner Must-See-Liste streichen.

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Christian Hedel/https://fkpscorpio.de/de/presse/detail/downloads-hurricane-festival-1167/

Kurz nach dem Auftritt stehe ich wieder vor der River Stage, um das bereits erwähnte Versprechen einzulösen. Gemeinsam mit meinen Camp-Genoss:innen stehen wir mittlerweile im Dunkeln vor der Bühne und erwarten die Show von Sam Fender. Mein Kontakt zu selbigem beschränkte sich bisher auf “17 Going Under” (den Song, nicht das Album) und die daraus folgende Auffassung, das sei wohl so ein Indie-Dude mit Gitarre und Weltschmerz. Boy was I wrong. Also nicht komplett, Gitarre und Weltschmerz gibt’s hier schon zur Genüge, aber der Newcastle-Native und seine Band entpuppen sich nicht nur als größte Überraschung des Festivals (für mich), sondern auch als absolute Rockstars. Die River Stage kann auch hier wieder mit Top-Sound glänzen, Fenders Springsteeneske Arbeiter:innen-Hymnen treiben den Umstehenden einige Tränen in die Augen und auch ich werde ein bisschen sentimental. Völlig von den Socken haut es mich dann, als Sam Fender ankündigt, sie würden nun seinen “dümmsten Song” spielen. “Howdon Aldi Death Queue” entstand während der Covid-Pandemie und handelt von der restriktiven Einkaufsexperience beim Supermarkt um die Ecke. Inszeniert wird das Ganze als ungestümer, rumpelnder Hardrocksong, der durch glitchy Live-Visuals und ein verzerrtes Saxophon-Solo á la Maruja zur absoluten Eskalation ausartet. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Dieser Euphorie können dann leider auch Headliner The Prodigy nichts mehr entgegensetzen. Nach dem Verlust von Keith Flint vor einigen Jahren übernimmt nun Liam Howlett die Rolle des Anheizers, was leider viel zu oft in inhaltsleere Hype-Schreie wie “where are my warriors in the front??!” ausartet. Etwas ernüchtert verlasse ich das Infield nach knapp der Hälfte der Show, um noch vor dem großen Andrang eine säubernde Dusche aufzusuchen.

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Christoph Eisenmenger/https://fkpscorpio.de/de/presse/detail/downloads-hurricane-festival-1167/

Sonntag

Am finalen Tag des Hurricane klettert das Thermometer nochmal ein paar Grad nach oben, bringt dafür aber auch eine Unwetterwarnung und einige Wolken mit, die den Aufenthalt auf dem Campingplatz und vor den Bühnen um einiges angenehmer machen als noch am Vortag. Musikalisch beginnt der Tag für mich mit Lucy Dacus. Auf dem Weg dahin schallen mir aber von den beiden anderen Bühnen schon die ersten Töne von Kadavar bzw. den Blackout Problems entgegen, als würde mir das Festival sagen “guck was du verpasst”. Lucy Dacus und ihre Band liefern trotz noch recht spärlich besuchter River Stage ein super Konzert ab. Wer die Musik der Sängerin und Songwriterin kennt, weiß dass es hier eher ruhig zugeht, was mir zu dieser frühen Stunde ganz gut in den Kram passt. Während ich die Wartezeit bis zum nächsten Act auf meiner Liste mit einem Getränk überbrücke, beobachte ich kopfschüttelnd die Massen von Menschen, die sich den Weg zur Mountain Stage bahnen, wo gleich das Konzert von Ikkimel ansteht. Was die Festivalplaner:innen geritten hat, den absoluten Shooting Star des Technoraps auf die kleinste Bühne zu programmieren, entzieht sich meiner Kenntnis. Aus späteren Gesprächen entnehme ich, dass das Ganze wohl auch aus Fanperspektive nicht optimal gelaufen ist. Völlig überfüllt und spätestens ab Wellenbrecher Nummer drei kaum noch guter Sound. Das alles, während der erste Wellenbrecher vor der deutlich größeren River Stage, wo ich gerade zu Amyl and The Sniffers mitschreie, nicht mal annähernd voll ist. Da hätte ein Tausch der Bühnen definitiv beide Konzerte angenehmer gemacht.

Nachdem die Australier:innen ihr knackiges Set vollendet haben, führt mich mein Zeitplan wieder ins Zelt. Diesmal, um eine Band anzuschauen, die sich neben Sam Fender als zweite große Überraschung entpuppen sollte. Der Name Slowdive war mir durchaus auch schon vorher ein Begriff, so richtig gehört habe ich die Band aus Reading aber ehrlicherweise nie. Dieser Auftritt ändert das nachhaltig, denn die sphärischen Gitarren-Teppiche der Shoegaze-Legenden ziehen mich von der ersten bis zur letzten Minute komplett in den Bann. Slowdive verdienen sich ganz nebenbei auch den Titel bestklingende Band des Wochenendes. Kristallklare Gitarren und Keys legen sich über knurrige Bässe und sattes Schlagzeug, während die hypnotischen Visuals das Ganze zu einer fast schon psychedelischen Erfahrung machen. Definitiv jetzt schon eine der größten Entdeckungen des Jahres für mich! Der letzte feste Tagesordnungspunkt folgt direkt auf den Auftritt von Slowdive, ich kehre also nach kurzer Kaffeepause ins Zelt zurück und warte mit einem leider ziemlich ausgedünnten Publikum auf die Show von Zeal & Ardor. Bis die Band aus der Schweiz die Bühne betritt, hat sich der Bereich immerhin noch ein bisschen gefüllt, und gemeinsam mit den anwesenden Metalheads lasse ich mir in den nächsten 60 Minuten meine Trommelfelle durchprügeln. Manuel Gagneux bekommt im Live-Kontext gesangliche Unterstützung von zwei weiteren Sänger, wodurch die charakteristischen Call-and-Response-Gesänge mir die Haare noch mehr zu Berge stehen lassen als sowieso schon. Wenn ich mir nicht über das Wochenende schon einen geringfügigen Hörschaden zugezogen habe, erledigen das Zeal & Ardor spätestens jetzt. Von den beiden Konzerten völlig euphorisiert verlasse ich das Zelt, um wieder zu meinen Camp-Genoss:innen zu stoßen, die bereits vor der Mainstage auf den Auftritt von niemand geringerem als Jan Böhmermann und dem Rundfunktanzorchester Ehrenfeld warten. Zu meiner Überraschung stelle ich beim Verlassen der Wild Coast Stage fest, dass es offenbar während des Konzerts von Zeal & Ardor geregnet hat. Eine weitere Bestätigung für, dass ich mit dem Abstecher ins Zelt eine gute Entscheidung getroffen habe.

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Julia Schwendner/https://fkpscorpio.de/de/presse/detail/downloads-hurricane-festival-1167/

An der Forest Stage angekommen, hat der ZDF-Moderator bereits die Bühne betreten, oder viel mehr befahren. Denn Böhmermann steht dort oben tatsächlich in voller Outdoor-Montur inklusive E-Scooter und Fahrradhelm. Die folgenden knapp 70 Minuten gehören zum merkwürdigsten, das ich je auf einer Bühne gesehen habe. Da steht jetzt dieser hagere Witzemoderator und performt “Hits” wie “Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf?” und “Ich hab Polizei” vor einem (wahnsinnig gut klingenden) Orchester. Das stand ehrlicherweise nicht auf meiner Bingokarte für 2025. Unterhaltsam ist das Ganze aber allemal, und Böhmermann schafft es, den Anwesenden mit sehr explizit politischen Zwischenreden immer wieder einen kleinen Realitätscheck mitzugeben. Ein Kunststück, das viele Punkbands (looking at you, Green Day) nicht hinbekommen. Der Auftritt von Böhmermann findet allerdings ein jähes Ende, als während des letzten Songs eine Warnmeldung auf den Videowalls erscheint. Die Unwetterwarnung sollte sich wohl bestätigen, sodass wir nun gebeten werden, uns auf schnellstem Wege in unsere Autos zu begeben. Gesagt, getan, und keine halbe Stunde später sitze ich in einem alten VW Golf und warte darauf, dass sich die Himmelstore öffnen. Tatsächlich bleiben wir bis auf ein paar noch recht weit entfernte Blitze und ein bisschen Regen weitgehend verschont. Gegen 23 Uhr wird der Festivalbetrieb dann wie gewohnt fortgesetzt und die letzten Acts, inklusive Headliner Green Day, dürfen ihre Auftritte angehen. Da ich bereits in der Vergangenheit massiv von den Shows der Altpunks unterwältigt war, beschließe ich, die Unwetterpause für mich als offizielles Festivalende zu begreifen und mache nur noch kurz einen Abstecher zum Infield, um mir etwas zu essen zu holen. Auf dem Weg zurück bekomme ich noch mit, wie bei der Green Day Show jemand im Hasenkostüm über die Bühne hoppelt. Ich fühle mich abermals in meiner Entscheidung bestätigt und mache mich auf den Rückweg… 

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