Freitag, 06. Juni 2025
Das 30. Jubiläum des Festivals wurde immer wieder von Regenschauern begleitet, was der Stimmung vor Ort jedoch keinen großen Abbruch tat. Meine Anreise nach Nürnberg verläuft am Freitagvormittag besser als erwartet, wenn auch durch viele Baustellen unnötig in die Länge gezogen. Im zweiten Jahr in Folge steht an diesem Wochenende für mich Rock im Park auf dem Programm. Wo im letzten Jahr beim allerersten Besuch noch Unsicherheiten meine Gefühlswelt dominierten, stellt sich heute wirkliche Vorfreude ein. Beim 30. Jubiläum des Festivals soll alles noch größer ausfallen als zuvor. Das zeigt sich vor allem am Rekord-Line-Up, vergrößerten Flächen vor Ort (unter anderem im hinteren Bereich der Utopia-Stage) sowie einer neuen, vierten Bühne, die laut meiner Wochenendplanung den einen oder anderen Besuch abgestattet bekommen wird. Dass es dann aber endlich und wirklich wieder los geht, merke ich erst beim Erreichen der Meistersingerhalle nach einem kurzen Spaziergang, pünktlich mit dem Einsetzen des ersten Regens an diesem Wochenende. Hier tummeln sich VIP- und Mediagäste am dafür vorgesehen Check-In, und auch wenn mein Bändchen für dieses Wochenende nach Tigerentenclub aussieht, der Aufdruck "Rock im Park" verrät, wohin der zweite Spaziergang für heute mich führen wird: Durch den Luitpoldhain, in dem schon fleißig gezeltet und gefeiert wird, über den Volksfestplatz und die große Straße hin zum Infield, wo heute bereits einige Konzerte fest eingeplant sind. Gut, ganz vielleicht wurde auch der bereits bestens bekannte Biergarten am Dutzendteich in die Laufroute eingeplant. Wer weiß das schon.
Me First & The Gimme Gimmes
Beim Erreichen der Mandora Stage kurz vor dem Auftritt von Me First & The Gimme Gimmes wird diese gerade mit aufblasbaren Palmen dekoriert. Die Band definierte sich für mich bisher durch die Aussagen "Da steckt doch Fat Mike mit drin" sowie "Die covern halt Welthits in Punkrock". Klares Pflichtprogramm also. Bereits bei diesem noch recht frühen Auftritt zeigt sich aber auch schon der Zustand des Geländes: Matsch und Pfützen wohin man nur schaut. Das hält die ersten jedoch nicht davon ab, zu Songs wie "Jolene" oder "Dancing Queen" durch diese Pfützen zu springen. Meine Vans versuche ich aktuell noch sauber zu halten, ein zum Scheitern verurteiltes Vorhaben. Währenddessen tut die Band zumindest so, als würde sie Liedwünsche entgegen nehmen, immerhin sei man "THE Coverband". Fat Mike war übrigens nicht am Start, wurde aber durch niemand geringeren als C.J. Ramone ersetzt. Ansonsten bleiben leider technische Probleme wie Tonausfälle im Gedächtnis. Für den Auftakt ins Wochenende bin ich dennoch ganz zufrieden.

Holy Wars
Es gilt eine Lücke zwischen Me First & The Gimme Gimmes und Bullet For My Valentine zu füllen. Bereits im vergangenen Jahr hat sich in solchen Momenten ein spontanes Abbiegen in die Arena angeboten. Der Faktor, dass der Standort der Orbit-Stage vor Regen schützt, macht den Laden bei den aktuellen Wetteraussichten umso attraktiver. Wobei, so ganz spontan war die Idee Holy Wars zu sehen gar nicht, da sich "21st Century Bitch" bereits im Vorfeld hartnäckig in meiner Festival-Playlist festgesetzt hat. Die Band stammt aus Los Angeles und weiß, wie man der Halle einheizt. Kat Leon wirbelt von links nach rechts über die Bühne und lässt dabei ihre roten Haare durch die Luft fliegen. Kurz vor Ende der Show, ich gehe davon aus dass ich den einzigen mir bekannten Song wohl an letzter Stelle der Setlist verpasse, mache ich mich auf den Weg zur Utopia-Stage, wo gleich Bullet For My Valentine auftreten werden.

Bullet For My Valentine
Bullet For My Valentine ist eine dieser Bands, bei der ich bisher nicht über den Namen hinausgekommen bin. Da ich die Planung der Konzerte an diesem Wochenende zum Glück nicht alleine durchführe, stehe ich nun nicht nur hier, sondern werde von den Walisern auch durchaus positiv überrascht. Wir werden zum ersten Mal an diesem Wochenende so richtig nass, doch das Meer aus Regenponchos geht mit und hat erstaunlich textsicher viel Spaß unter dem tristen Nürnberger Himmel. Da auch mein Poncho seinen Job trotz kurzer Ärmel einwandfrei erfüllt, steht für mich am Ende ein kurzweiliger Auftritt, den ich mir so jederzeit wieder ansehen würde.

Anschließend steht das unausweichliche Abendessen an, bei dem ich mir heute Falafel im Wrap schmecken lasse, während Heaven Shall Burn auf der Mandora-Stage auftreten. Da ich den Bezug zur Band im Laufe der Jahre verloren habe, höre ich lediglich mit einem halben Ohr zu, fühle mich aber auch ehrlich gesagt eher darin bestätigt, warum dieser Bezug verloren gegangen ist (zu diesem Zeitpunkt ist mir natürlich noch nicht bekannt, dass die Band ihren folgenden Auftritt bei Rock am Ring nach kurzer Zeit abbrechen musste. Gute Besserung an dieser Stelle!).
In Flames
Langsam wird der Tag ernst für mich. Heute morgen noch gefühlt unendlich weit weg, ist der Auftritt von Headliner Slipknot auf einmal keine 90 Minuten mehr entfernt. Doch zuerst einmal wird es Zeit, noch eine absolute Wunschband von der Bucketlist zu streichen: In Flames aus Schweden! Wir schieben uns in den zweiten Wellenbrecher, wo aufgrund der großen Pfützen ausreichend Platz vorzufinden ist. Dass hier gerade vier Leute, jeweils zwei auf den Schultern der beiden anderen, einen Kampf austragen der für alle Beteiligten im Matsch endet, trägt zur allgemeinen Erheiterung bei. Im Großen und Ganzen lässt sich die Show auf der Mandora-Stage gut mit der von Bullet For My Valentine zuvor auf der Utopia vergleichen: Der Himmel öffnet wieder seine Schleusen und die Bestätigung für die Buchung der Band bekommt der Veranstalter durch die Mitmachquote auf der Fläche gespiegelt. Ich kenne hier zumindest ein paar der gespielten Songs, sodass die 60 Minuten trotz miesem Wetter wie im Flug vergehen. "I Am Above" und "Take This Life" stehen aber auch einfach nicht ohne Grund am Ende dieses Sets. WOW!

Slipknot
Um ganz ehrlich zu sein, kann ich mir fast nichts schöneres vorstellen als am ersten Festivaltag von Slipknot in die Dunkelheit geleitet zu werden. Die Füße tun noch nicht weh und sind trotz komplett eingesauter Vans nach wie vor trocken, Körper und Geist sind noch komplett aufnahmefähig. Als dann der Titelsong von Knight Rider ertönt und anschließend von Slipknots "742617000027" zu "(sic)" übergeleitet wird, ist in Nürnberg Hopfen und Malz verloren (da das natürlich nur rhetorisch gemeint ist an dieser Stelle ein kurzes aber ernstgemeintes Lob in Richtung der Organisator*innen: Großflächig verfügbares Weizen als Ergänzung zu Becks und San Miguel ist ein Traum!). Slipknot betreten die Bühne nicht nur wie immer maskiert, sondern heute Abend auch mal wieder in den schwarzen Overalls. Erwartungsgemäß feuert die Band Hit um Hit raus, immer wieder unterbrochen von einigen Worten Coreys sowie Zwischenspielen, die beinahe einem DJ-Set gleichen. Die Leute gehen erwartungsgemäß bei "Psychosocial" und "Duality" am meisten mit, immerhin handelt es sich hier um die gängigsten Nummern. Meine Augen wissen derweil gar nicht, wem sie eigentlich folgen sollen, so viel Bewegung findet auf dieser Bühne statt. Während unten mit Baseballschlägern auf Tonnen eingedroschen wird, werden auf dem Dach der Bühne Flammen in den Nürnberger Abendhimmel geschossen. Slipknot hören zwar einige Minuten zu früh auf, was nicht bei allen Besucher*innen auf Verständnis stößt, ich jedoch nutze die Zeit um noch schneller zu Millencolin in die Eishalle gelangen zu können.
"Clown" war heute aus privaten Gründen nicht dabei, Corey Taylor widmete ihm jedoch einige Worte.


Millencolin
Mit dieser Band macht man doch einfach nie etwas falsch! Wer meinen Artikel aus dem letzten Jahr kennt weiß, dass die Orbit-Stage der perfekte Ort ist, um einen langen Tag im Sitzen ausklingen zu lassen und sich einfach nur mit einem Kaltgetränk ausgerüstet zurückzulehnen. Auch wenn der Sound auf der von der Band aus gesehenen rechten Seite des Unterrangs nicht perfekt ist, liefern Millencolin genau das, was ich von ihnen erwarte und bereits von meinem Konzertbesuch in Hannover vor einiger Zeit gewohnt bin. Die Band hat sich dabei gut vorbereitet und betont, sich in einer Eis(hockey)halle mehr als wohl zu fühlen. Mit "True Brew" und "No Cigar" gibt es zu später Stunde noch einmal zwei absolute Highlights, bevor der erste Tag bei Rock im Park langsam zu Ende geht. Das geschieht nicht ganz ohne Pleite, da die DB im S-Bahn-Verkehr auf unserer Route in dieser Nacht einige Probleme hat.
Samstag, 07. Juni 2025
Jede*r sollte eine zweite Chance verdient haben. Nach diesem Motto handelnd stehe ich am frühen Samstagnachmittag am Gleis der S-Bahn, die den Hauptbahnhof in Nürnberg mit dem Festivalgelände verbinden soll. An den in getrockneten Matsch gehüllten Schuhen erkenne ich diejenigen, die das gleiche Ziel verfolgen wie wir. Ich mache es kurz: Ich habe den S-Bahnhof zu Fuß wieder verlassen, kurz bevor mein eine Stunde gültiges Einzelticket seine Gültigkeit verloren hat. Die Wahl zwischen Tram und Fußmarsch fällt aufgrund der geringen Differenz zwischen dem Weg zur Haltestelle der Tram und dem zum Biergarten am Dutzendteich ohne lange Diskussionen auf den Fußmarsch, immerhin ist heute erst der zweite Tag und die Füße machen noch mit. Die Liste der zumindest eingeplanten Bands fällt heute ungewohnt kurz aus, der nächste Regenschauer kündigt sich bereits an und ein Besuch bei Gutmann ist nicht nur wegen der Leute dort immer einen Halt wert. Die Gespräche ergeben sich dicht gedrängt unter den vor dem Regen schützenden Sonnensegeln ganz von selbst.
Bevor die Beatsteaks als erster Act auf dem Programm stehen, schlendern wir noch einmal die Große Straße entlang um einen weiteren Pflichtbesuch zu erledigen: Den bei Lidl! Im letzten Jahr bereits von mir über den Klee gelobt, lässt sich an Lidl auch in diesem Jahr keinerlei Kritik üben. Der Pop-Up-Supermarkt bietet erneut alles, was das (Camper-)Herz begehrt und ich plane bereits hier einen ersten Snack aus der Backwarentheke ein. Temporär satt für 2,50€, im Infield undenkbar. Dazu unglaublich gut gelaunte Mitarbeiter*innen und ein gesunder Mix an guter Musik. Der Lidl-Moment des Tages geschieht dann, als im Laden "Last Resort" von Papa Roach abgespielt wird und wirklich ALLE einstimmen. Ich liebe es.
Rock im Park-Momente entlang der Großen Straße

Beatsteaks
Ein Wochenende voller Premieren! Auch die Beatsteaks durfte ich bis heute noch nicht auf der Bühne erleben. Musikalisch bin ich ehrlich gesagt nicht wirklich im Thema, trotzdem zählte der Auftritt der Berliner für mich zum Pflichtprogramm. Ich finde mich relativ mittig auf dem Platz vor der Utopia-Stage ein, wo sich aufgrund zahlreicher Pfützen etwas Platz ergeben hat. Dass in den matschigen Pfützen durchgehend getanzt wird besaut mir zwar früh am Tag die Hose, gehört aber doch irgendwo auch dazu. Während des Konzerts der Beatsteaks kommt die Sonne raus, es fliegen vereinzelt Seifenblasen durch die Luft. Der Blick auf den Wetterbericht verspricht einen trockenen Abend. Das hier sind die Vorboten, die allen Anwesenden direkt die Laune heben. Mit Aktionen wie der Behauptung, das Hinsetzen und Aufspringen erfunden zu haben oder der Aufforderung, nach dem Einzählen und dem Aufspringen doch bitte alle Handys wegzuwerfen, gestalten die Beatsteaks eine kurzweilige Show, die ihren Höhepunkt erwartungsgemäß in "Let Me In", "I Don't Care As Long As You Sing" sowie "Hand In Hand" findet.

AVIVA
AVIVA gehört erneut zu den zufällig ergebenen Konzertbesuchen an diesem Wochenende. Wir besuchen die Atmos-Stage etwas früher als geplant, um unter gar keinen Umständen eine Sekunde von Massendefekt zu verpassen und auch in der Hoffnung, besser an etwas Essbares zu kommen als auf der der Uhrzeit geschuldet völlig überfüllten "Fressmeile". Beide Pläne gehen auf und führen dazu, dass wir vor dem vielversprechenden Punkrockabend auf dieser Bühne noch den Auftritt von AVIVA aus Australien verfolgen können. Schnell fällt hier auf, mit wie viel Herzblut die Sängerin, die heute mit Gitarrist und Drummer auf der Bühne steht, bei der Sache ist. Genauso schnell fällt mir aber auch auf, dass ein Teil der Instrumente aus der Dose kommt und den Livesound der Band ergänzt. Dass ich hiervon kein riesiger Fan bin, ist vielleicht in anderen Berichten schon aufgefallen. Ansonsten bleibt mir ehrlich gesagt nur in Erinnerung, mit wie viel Humor die Sängerin ihren Sturz rückwärts über einen Bühnenmonitor weglacht, als wäre er nie geschehen. Jetzt wird es dann aber ehrlich gesagt auch endlich Zeit für Punkrock.
Eine weitere Anekdote wert ist die Besucherin, die auf Biegen und Brechen vom Verkäufer der "Original Thüringer Bratwurst" wissen möchte, woher aus Thüringen diese denn nun stammt. Es entwickelt sich eine kleine Diskussion zwischen ihr und weiteren Wurstkonsument*innen, die den etwas überfordert wirkenden Kerl in Schutz nehmen. Ich drehe mich kopfschüttelnd um.

Massendefekt
Das nächste Debüt steht an! Seit vielen, vielen Jahren freuen sich nahezu alle Alben dieser Band in meinem Plattenregal, wenn ihnen endlich eine neue Vinyl von Massendefekt Gesellschaft leistet. "Lass die Hunde warten" als letzte Veröffentlichung höre ich teilweise öfter als die Vorgängerplatten. Wenn das nicht für die Entwicklung dieser Band spricht, was denn dann? Der Atmos-Stage steht vor dem Auftrittt ein Abend bevor, bei dem jede*r Liebhaber*in von deutschem Punkrock das Herz aufgeht: Massendefekt, Deine Cousine und ZSK werden nun hintereinander spielen. Ein Element des Zeitplans, über den ich mich im Vorfeld riesig gefreut habe. Massendefekt hauen "Major Tom" als Intro raus, was das Publikum bestens aufwärmt und starten dann mit "Der Hoffnung entgegen" und riesigen, mit Luft gefüllten Bällen ins Set. Meine Stimme wird die folgenden drei Konzerte leiden, so viel steht fest. Es folgen ausführliche Interaktionen mit dem Publikum bei "Disko" und "Wellenreiter" und ein verkürztes Cover von "Bro Hymn" (Pennywise), bevor abermals ein Cover ("Junimond") das Set beschließt. Schneller als mir lieb ist ist mein erstes Mal Massendekt Geschichte, doch bleibt garantiert nicht das letzte Mal.

Deine Cousine
Die Zusammenfassung des Auftritts von Deine Cousine können wir kurz ausfallen lassen. Schon zwei Mal, zuletzt in Wiesbaden, habe ich mir die Finger darüber wund getippt, wie viel Power diese Frau mit ihrer Band auf die Bühne bringen kann. Schauen wir daher an dieser Stelle mal auf die vom erwartet kraftvollen Auftritt abweichenden Details:
1.) Deine Cousine schaffen es, dass die Atmos-Stage einen Einlassstopp durchsetzen muss. Der Platz vor der Bühne ist randvoll. Ich muss hingegen sagen, dass sich im rechten Bereich der Bühne, sogar im ersten Wellenbrecher, die Show ganz entspannt verfolgen lässt. Das liegt bei Rock im Park meistens daran, dass die Besuchenden bei den über die ganzen Tage zu absolvierenden Metern eher als lauffaul gelten und daher gerne auf der Seite der Bühne bleiben, auf der auch der Eingang liegt. In diesem Fall war das die gegenüberliegende Seite.
2.) Ina erkennt Chris (in der Hoffnung, die Schreibweise stimmt). Chris ist Crowdsurfer, hätte aber ruhig mal kurz einen High Five bei der Sängerin da lassen können. Findet Ina zumindest.
3.) Eric (in der Hoffnung, die Schreibweise stimmt)! Dass sich Deine Cousine zu "Der Himmel ist ne Kneipe" Leute aus dem Publikum auf die Bühne holen, um Costas (Sondaschule) Part in Abwesenheit zu übernehmen, ist nichts Neues. Dass sich jemand aktiv von seiner Begleitung per Schild bewerben lässt und dann SO abliefert, habe ich jedoch bei den beiden Shows zuvor auch noch nicht erlebt. Eric hat nicht nur den Text perfekt drauf, sondern dreht dabei auch in Sachen Performance komplett auf. Einen Eindruck gibt euch das Bild unten.
4.) Die Polonaise. Irgendwann gleicht der ganze Platz nach Aufforderung der Band einer einzigen Polonaise. Neue Leute kennen lernen und so. Ich halte mich raus, der gute Platz vor der Bühne für ZSK geht da vor.
Fazit: Großes Potenzial, im Nachgang als einer der Top Drei Auftritte des gesamten Wochenendes betitelt zu werden!

ZSK
Man merkt ZSK einfach an, dass sie fast schon alte Hasen im Geschäft sind. Der Platz ist dementsprechend auch um Mitternacht immer noch randvoll für eine Band, die neben ihrer Musik auch (zumindest auf den von mir besuchten Konzerten) immer ein bisschen für Klamauk und Spaß am Leben steht. Seien es Gitarren, die mit Ansage von Sänger Joshi aus über die halbe Bühne zum Techniker Martin fliegen oder die Laolawelle für eben diesen. Die Band hat heute Nacht richtig Bock auf eine bis zum Anschlag gefüllte Atmos-Stage, die Leute vor allem um mich herum direkt vor der Bühne umso mehr. "Macht mit oder geht nach Hause!", wie es Joshi während des Auftritts ins Mikrofon ruft, wird ernst genommen: Es herrscht viel Bewegung und keinerlei Anlass, das Gelände vorzeitig zu verlassen. Und als hätten wir alle am Ende des zweiten Tages noch nicht genug Meter in den Beinen, ernennt sich die Band zum Personal Trainer des Publikums und fordert zum ausgiebigen Springen auf. Daraufhin kommt die kurze Pause, in der ein Fan mit dem erwähnten Techniker Martin auf der Bühne Bier um die Wette ext ("Wie haben keine Zeit! Aber bei Bier machen wir eine Ausnahme!") genau zur rechten Zeit.
Mein Highlight: Das gerade erst erschienene neue Stück "Keine Liebe für Berlin". Funktioniert auch live bestens!

Sonntag, 08. Juni 2025
Der dritte und letzte Tag von Rock im Park beginnt früh. Das Festival hat im Vorfeld drei geheime Acts angekündigt, über die in Foren und sozialen Medien seit Monaten diskutiert und gerätselt wurde. Dort fanden Theorien und Abgleiche statt, welche vielleicht auftretende Band denn gerade wo auf Tour ist und ob sich das alles ganz vielleicht umsetzen lässt oder auch nicht. Mit Knocked Loose wurde eine der Bands im Vorfeld dann doch veröffentlicht, zwei blieben geheim und die am Freitag bei Rock am Ring aufgetretenen Bands Electric Callboy sowie Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys haben sich natürlich längst rumgesprochen. Da Rock im Park im Vorfeld veröffentlichte, die Überraschungsacts wären NICHT dieselben, müsste hier also heute mindestens eine Unbekannte lauern. Der erste Auftritt ist für 11:15 Uhr angesetzt, ich habe aus den Fehlern der letzten Tage gelernt und nehme direkt die Tram zum Gelände, um dort gegen 10:30 Uhr noch einmal so richtig nass zu werden. Der Tag kann also nur besser werden.
Very Special Guest No. 1 / Sportfreunde Stiller
Die Neugierde bestimmt das Handeln. Somit stehen nicht wenige Menschen pünktlich um 11:15 Uhr vor der Hauptbühne. Dass hier gleich die Sportfreunde Stiller auf die Bühne kommen, habe ich vor wenigen Minuten bereits erspäht, da ich aus dem Bereich der sanitären Anlagen am mit "Willkommen Zuhause" bedruckten Vorhang vorbeispähen konnte. Spätestens als die Band noch hinter diesem Vorhang stehend "'54, '74, '90, '2025 - werden wir Parkmeister sein" anstimmen, lüftet sich das Geheimnis um den ersten Überraschungsact. Dass die Meinungen über die Auswahl naturgemäß auseinander gehen, ist vollkommen klar. Für mich ergibt sich die Gelegenheit, mir eine Band anzuschauen, die sich zur sowieso schon großen Menge an Premieren dazu gesellt und die Nummer sichtlich mit Spaß an der Sache angeht. Davon zeugen nicht nur die locker sportlichen Outfits, sondern auch Gastauftritte von Soffie und The Subways, mit denen die Band nicht nur "Rock & Roll Queen" (teilweise auf deutsch) performt, sondern auch "Ich, Roque". The Subways kommen trotz Ausrufen wie "We Love You, Motherfuckers!" wirklich gut an und mit der Hommage an Udo Jürgens in Form von "Ich war noch niemals in New York" und "Siehst du das genauso?" beenden die Sportis den Auftakt zum Sonntag bei Rock im Park.

Very Special Guest No. 2 / Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys
Der zweite Überraschungsact ist dann zwar doch keine ganz große Überraschung mehr, immerhin ließ sich ein Teil des Bühnenbildes schon beim Auftritt der Sportfreunde Stiller am Bühnenrand bemerken und der Auftritt am Ring hat sich ebenfalls rumgesprochen, doch scheinen viele irgendwie doch auf etwas anderes gehofft zu haben. Das Bild beim Auftritt von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys, die "die heilige Messe des Italo-Schlagers" ausrufen, ist grotesk: Während diejenigen, die wirklich Bock auf diese Aktion haben, den Bereich vor der Bühne unter anderem mit Wall Of Deaths auf links drehen, wandern viele andere über die gut sichtbaren Treppen in Scharen ab. Wenn ich schon mal hier bin, schaue ich mir den Auftritt natürlich von der ersten bis zur letzten Minute an und gebe zu: Ich habe richtig Spaß! Das Treiben auf den Videoleinwänden zu beobachten, während diese Band als Höhepunkt der Show "Bella Napoli" besingt und dabei ernsthaft behauptet seit 1982 aktiv zu sein, ist schlichtweg unterhaltsam. Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys ist in meinem privaten Umfeld schon lange ein großes Thema und auch hier sind erstaunlich viele Leute textsicher. Das führt am Ende dazu, dass die Band diesen Auftritt bei Rock im Park als "nicht so ein Kaltakquiseevent wie am Ring" bezeichnet. Kompliment angenommen.

TULPE
Mit den Songs von TULPE habe ich mich tatsächlich ausgiebig im Vorfeld beschäftigt. Die Band um Schauspieler Joachim Foerster hat es seit langem mal wieder geschafft, mir mit zwei bis drei Songs so gut zu gefallen, dass ich hier am frühen, verregneten Nachmittag vor der kleinsten Bühne des Festivals stehe. Das Konzert von TULPE ist an diesem Wochenende wohl das, welches ich mit den wenigsten anderen Leuten sehe (das bedeutet bei Rock im Park trotzdem noch eine ganze Menge Leute). TULPE zeigen sich dennoch dankbar für jede einzelne Person, die den Weg zur Atmos-Stage gefunden hat und mit ihnen Songs wie "Endorphin überdosiert" und "Enphant sensible" feiert, die längst in meinen Playlisten verwurzelt sind. Während die Rufe immer lauter werden, auf Konzerten doch bitte die Shirts anzulassen, kann man bei Joachim beinahe die Uhr danach stellen, wann dieses fliegt. Bis auf dieses kleine Detail bin ich jedoch sehr zufrieden! Bei TULPE bleibt es spannend abzuwarten, wohin die Reise dieser Band so gehen kann.

Myles Kennedy
Myles Kennedy war für mich bisher vor allem das stimmliche Gesicht der Solo-Platten von Slash, der diese mittlerweile unter dem Namen "Slash featuring Myles Kennedy & The Conspirators" veröffentlicht. Mit dem eigenen Kram von Myles habe ich mich bisher nicht großartig auseinandergesetzt, doch verpassen will ich den Mann mit dieser einzigartigen Stimme auf keinen Fall. Direkt vor der Bühne ist aufgrund des Wassers, welches gerade auch wieder in Massen vom Himmel fällt, mal wieder sehr viel Platz und ein nach ganz vorne kommen unkompliziert möglich. Den Hut dafür setzt Myles Kennedy sich mit der Behauptung, dass andere Bands zum Beispiel Pyrotechnik als Special Effects verwenden würden, bei ihnen sei das einfach Regen, selbst auf. Immerhin: Die Veranstalter*innen haben große Flächen vor der Mandora-Stage vorab mit Stroh ausgelegt, was das Gelände in diesem Bereich deutlich angenehmer macht. Am Ende steht eine solide Show, an der ich bis auf die nassen Klamotten nichts auszusetzen habe.

Fjørt
Auf Fjørt war ich im Vorfeld mit am meisten gespannt. Nicht auf die Show oder Setlist, die kenne ich bereits von vergangenen Konzerten im Marburger KFZ. Eher darauf, wie viele Leute wirklich kommen werden und darauf, wie die Band bei Tageslicht funktioniert und wirkt. Spätestens als David die Worte "Fjørt, Kaiserstadt" ins Mikrofon spricht, bricht die Welt über der Atmos-Stage zusammen. Wie drei Menschen so eine Wucht entwickeln können, bleibt für mich für immer faszinierend. Die Gute Nachricht: Der Platz ist voll, ich stehe im ersten Bereich vor der Bühne und beobachte so manchen Gast, der mit mir die Texte mitbrüllt. Für Außenstehende muss das teilweise "nicht ganz knusper" gewirkt haben, im Rausch des Auftrittes ist es uns allen komplett egal. Wo am dritten Tag schmerzende Beine zu erwarten gewesen wären, beflügelt mich der Auftritt noch einmal für die noch anstehenden Shows an diesem Sonntag. Kein Konzert von Fjørt ohne Message: David betitelt das Festivalgelände als Mahnmal und richtet einige Worte an die "dreckigen Ratten in all ihren Löchern".

Biffy Clyro
Es bleibt das gleiche Spiel bei dieser Ausgabe von Rock im Park: Schlamm-Spaziergänge und doch für mich etwas unerwartet viele, richtig gute Konzerte halten sich in etwa die Waage. Biffy Clyro rufen uns von der Bühne "Wir haben dich vermisst!" und dass sie "from f*cking Scotland" sind entgegen und auf einmal steht da ein zutätowierter Vollblutmusiker bei einer Band auf der Bühne, die ich bisher immer (natürlich ohne es besser zu wissen) als Radiorock abgetan habe. Und dieser zutätowierte Typ und seine Band "from f*cking Scotland" wissen ziemlich gut, wie man die Hauptbühne eines so großen Festivals bespielt und die klitschnassen Menschen davor begeistert. Der 75 Minuten dauernde Auftritt endet erwartungsgemäß mit "Bubbles" und "Many Of Horror", für uns geht es etwa zeitgleich langsam aber sicher zurück Richtung Eishalle, wo Adam Angst auf der Liste stehen.

Adam Angst
Dass Adam Angst an einem Festivaltag mit Fjørt auftreten, ist kein Zufall: Für David, jetzt an der Gitarre, heißt das Doppelschicht. Ich verfolge den Auftritt von einem ähnlichen Platz wie bei Millencolin Freitagnacht und mit Akne Kid Joe im Nacken (Grüße gehen raus). Im Gegensatz zu Fjørt habe ich Adam Angst bisher nicht live gesehen (der Support für die Ärzte in Köln, bei dem ich nicht an meinem Platz war, lassen wir mal außen vor) und nehme diese Möglichkeit in einer mal wieder wetterbedingt gut gefüllten Halle gerne wahr. Bereits vor der Show hängt ein Banner von Oasis hinter der Bühne, was wahrscheinlich bei nicht wenigen vor der Bühne unerfüllte Hoffnungen auf einen Überraschungsauftritt geweckt hat. Mit Sicherheit volle Absicht. Als dann mit einem Cover von "Don't Look Back In Anger" das Konzert eröffnet wird, nimmt dieser Gag erst wahre Größe an. Anschließend feuern Adam Angst alles ab, was sie auf Lager haben: Von "Punk" über "Wir sind zusammen" und "Mindset" bis zum Abschluss in Form von "Professoren".

Bring Me The Horizon
Da hat es doch wirklich noch bis ins Jahr 2025 gedauert, damit ich mich mit einer Band beschäftige, die in meinem privaten Umfeld bereits vor etwa 15 Jahren exzessiv verehrt wurde. Einen Headliner dieses Kalibers als letzter Act des Wochenendes auf der Hauptbühne auszulassen ist bei meiner sowieso schon niedrigen Quote von an diesem Wochenende gesehenen Headlinern keine Option. Meine erste Erkenntnis: Oli Sykes ist eine verdammte Erscheinung! Alleine diesem Menschen auf der Bühne zuzusehen ist faszinierend. Leider hindern mich verschiedene Dinge bereits am Beobachten: Zum einen rauschen die Lyrics teilweise über die Videowände, zum anderen scheint eine KI das Kamerabild live auszuwerten und es mit verschiedenen Formen und Mustern zu bereichern. So leuchten regelmäßig zum Beispiel Kreise um die Köpfe der Bandmitglieder auf. Auch dass die Show immer wieder unterbrochen wird, damit uns ein virtuelles Irgendwas irgendwelche Dinge erzählt, dämpft meine Euphorie über das Musikalische. Das klingt vielleicht furchtbar oberflächlich, ist aber genau das, was ich als Nicht-BMTH-Ultra heute Abend empfinde. Immerhin: Wenn Musik gespielt wird, ist diese inklusive dem nächsten Oasis-Cover von "Wonderwall" umso fetter!

Der Sonntag und auch das Festival klingt nach Bring Me The Horizon mit einem letzten Kaltgetränk zwischen Utopia- und Mandora-Stage langsam aus. Es ist längst dunkel geworden auf dem Zeppelinfeld in Nürnberg. Zweieinhalb Tage lang habe ich mich an den basslastigen Klängen, die auch in diesem Jahr von DJs auf die herumwandernden Besucher*innen des Festivals losgelassen werden, gestört. Doch heute Abend, zur Feier des Tages, will mal nicht so sein und aus dem im zweiten Jahr zur Tradition ausgerufenen Abschlussgetränk werden zwei, die ich unter anderem Rihannas "Umbrella" singend direkt auf der "Tanzfläche" genieße. Anschließend geht es langsam aber sicher vom Gelände und nach drei aufregenden und auch anstregenden Tagen Rock im Park zurück in Richtung Innenstadt...

... dachte ich zumindest. Die Zeit ist weiter als geplant voran geschritten und da K.I.Z. ihre Show bereits begonnen haben, gehe ich doch noch einmal die Zeitreise in die Jugend und den Gang vor die Mandora-Stage an. Ein gesunder Mix aus immer noch im Kopf gebliebenen, älteren Tracks und neueren Titeln, bei denen ich die Stimme dann etwas schonen kann, beschert uns dann den wirklichen Abschluss dieses Wochenendes. K.I.Z. verhalten sich typisch und nicht immer jugendfrei, liefern aber musikalisch und optisch aufgrund der über den Leuten sichtbaren Lasern eine ordentliche Show, die von allen Anwesenden ausgiebig zelebriert wird.
Unter dem Strich steht Rock im Park 2025 für mich persönlich für viele Premieren, großartige Konzerte und mindestens so viele tausend Regenponchos, wie ich an diesem Wochenende mal wieder Schritte gemacht habe. Die vierte Bühne sowie das dortige Programm haben das Festival wunderbar ergänzt, alleine der Samstagabend hätte für mich besser nicht gestaltet werden können, während die Massen bei Korn die Hauptbühne bevölkern. Nun kenne ich also beide Seiten dieses Festivals: Die Sonnenseite aus dem letzten Jahr und auch die dunklen Wolken, die das Festivalgelände in wenigen Stunden in einen Sumpf verwandeln können. Was aber für beide Jahre erwähnt gehört, sind die vielen kleinen, zufälligen Begegnungen und Gespräche sowie die Hilfsbereitschaft, die sich unter den Besuchenden entgegengebracht wird. Das fängt bei der gegenseitigen Rücksicht vor den Bühnen an und hört damit auf, dass ich sowohl im Bezug auf die vielleicht ankommenden S-Bahnen, aber auch auf der Suche nach den richtigen Eingängen aufs Gelände im letzten Jahr als Anfänger die nötigen Tipps vor Ort bekommen habe, um sie in diesem Jahr liebend gerne weitergegeben zu haben. Rock im Park hat in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag gefeiert und lebt dabei vor allem durch seine Community und die Mitarbeitenden. Es war mir vom ersten Moment in der Meistersingerhalle bis hin zum letzten Verlassen des Infields eine Freude, dieser Feier trotz allen Umständen beigewohnt zu haben!