GenreGPT - Ausgabe 18: Soapgaze
11.12.2025 | Moritz Zelkowicz
Ja, du hast richtig gelesen. Soapgaze. Ein Genre, das klingt, als hätte jemand die Musikabteilung gefragt, ob man Shoegaze nicht irgendwie noch weicher, noch sentimentaler und noch viel mehr wie die Soundkulisse eines Slow-Motion-Umarmungsfinales einer 90er-Seifenoper machen könnte. Und irgendjemand im Raum hatte genug Mut (oder Weichspüler im Blut), um „ja“ zu sagen.
Soapgaze ist die logische Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat: Was wäre, wenn Shoegaze nicht im verrauchten Keller mit Pedalboards entsteht, sondern in einem Badezimmer voller Seifenblasen, ätherischer Düfte und sanft flackernder Kerzen, die „Melancholy Breeze“ heißen?
Die Gitarren schweben wie frisch gewaschene Vorhänge im Wind. Die Vocals verstecken sich hinter einer doppelten Schicht Chorus. Alles ist weich, alles ist warm, alles ist leicht verschwommen – aber mit Absicht.
Natürlich gibt es keine Band, die sich offiziell Soapgaze nennt, aber das hat noch nie jemanden aufgehalten, ein Genre zu definieren. Denn ein paar Acts haben diesen Sound perfektioniert, ohne ihn je zu benennen.
Da wäre etwa Wild Nothing mit „Shadow“, ein Song, der klingt wie ein Sonnenstrahl, der sich in einer frisch geputzten Fensterscheibe bricht. Gitarren so glitzernd, dass man unwillkürlich an Seifenblasen denkt, die in Zeitlupe platzen.
Oder DIIV mit „Follow“, das musikalische Äquivalent eines verträumten Badezimmer-Spiegelblicks. Die Gitarren schweben, die Stimme murmelt, und man ist sich sicher, dass irgendwo ein Reverb-Pedal gerade glücklich lächelt.
Beach Fossils – „Down the Line“ bringt die Sache dann endgültig auf den Punkt. Das ist der Moment, in dem man merkt: Soapgaze ist nicht Shoegaze light – es ist Shoegaze deluxe, mit Floralseife statt Feedback.
Auch Hatchie mit „Sure“ liefert ein Paradebeispiel: Dream Pop wird hier durch so viel Chorus gejagt, dass selbst das weichste Kissen sich daneben hart anfühlt.
Und wer glaubt, Soapgaze könne nicht dramatisch sein, der sollte Molly – „Ballerina“ hören. Das ist, als würde man in Slow Motion über eine Blumenwiese rennen und gleichzeitig über die Sinnhaftigkeit des Lebens nachdenken. Sehr zart, sehr traurig, sehr sauber.
Historisch gesehen ist Soapgaze der kleine emotionale Bruder des Dream Pop – jener Bruder, der immer gut riecht, sehr leise spricht und im Zweifel alles mit Hall löst. Blackgaze ist zu pathetisch, Slowcore zu depressiv, Hyperpop zu nervös? Dann landet man hier, im gebügelten Klangbett der Seifenoper.
Thematisch geht es um Herzschmerz, Nostalgie und die Art von Weltschmerz, die sich gut mit Soft-Fokus-Filtern verträgt. Es ist Musik für Menschen, die auch beim Weinen darauf achten, dass das Licht stimmt.
Und wie immer stellt sich die Frage: Braucht die Welt Soapgaze?
Nein.
Aber ist sie besser damit?
Absolut. Denn manche Gefühle entfalten sich einfach besser in einem Meer aus Chorus-Gitarren und emotionalem Schaum.
So ist das in der Nische.
Moritz Zelkowicz
Moritz ist als Franke im sehr nahen Osten (Thüringen) gelandet. Er ist Teil der Lügenpresse auf Bundesebene und Bundesumweltminister der Redaktion. Musikalisch ist er überall dabei, ob Punk, Core oder Rap, erlaubt ist, was gefällt.